In der Synagoge
Heute war Bratschi in der Neuen Synagoge an der Oranienburgerstrasse. Die hier stehende Synagoge hat praktisch als einzige die Reichsprogromnacht im November 1938 einigermassen unbeschadet überstanden, und zwar dank des couragierten Eingreifens des zuständigen Polizeichefs. Im Krieg wurde die Synagoge dann aber schwer beschädigt und das Hauptgebäude später gesprengt. Nur der an die Strasse angrenzende Gebäudeteil blieb stehen. In den Achtziger und Neunziger Jahren wurde dieser Gebäudeteil restauriert und mit einer neuen goldenen Kuppel versehen. Heute informiert im Gebäude eine Dauerausstellung über die Geschichte der Synagoge. Ausserdem fanden gerade zwei interessante Sonderausstellungen statt. Die eine zeigt, was nach dem Krieg aus den Berliner Synagogen geworden ist; auf ihren Titel „Was stehen blieb“ lautet die nüchterne Antwort: praktisch nichts. Die andere heisst „Von innen nach aussen“ und illustriert anhand von Auszügen aus Briefen und Telegrammen, wie Diplomaten über die Progromnacht in ihre Heimatländer berichteten – das Spektrum der Einschätzungen reicht von antisemitisch geprägter Begeisterung bis hin zu tiefer Erschütterung. (Einer der wenigen Botschafter, die Klartext redeten, war übrigens der US-Botschafter.)
Danach traf Bratschi ihre Arbeitskollegin I. und deren Freundin, die für ein verlängertes Wochenende aus der Schweiz angereist waren. Eigentlich wollten die drei ins Fotomuseum. Dort gab es aber nur Aktfotos von Helmut Newton zu sehen (gähn!), worauf die drei beschlossen, statt ins Museum ins Literaturhauscafé zu gehen, das in einer Villa mit wunderbarem Garten liegt. Dort gab es dann Kaffee bzw. Tee und Kuchen. Ein gutes Alternativprogramm zum Museum! Und Bratschi wusste dank ihres Synagogenbesuchs ausserdem, dass an der Strasse, an der das Literaturhaus liegt, früher auch eine Synagoge gestanden hatte. Von dieser ist heute aber nichts mehr zu sehen (siehe oben).