Auf der Grossbaustelle
Puh, gestern und heute hatte Bratschi lange Arbeitstage! Sie wird dafür versuchen, morgen Nachmittag früh Schluss zu machen. Ein paar Dinge, die auf ihrer ominösen To-do-Liste stehen, sollte sie schon noch erledigen, bevor am Freitag der Besuch kommt – zum Beispiel die Wohnung wieder mal putzen und den Kühlschrank etwas auffüllen.
Bratschi hat übrigens festgestellt, dass man von ihrer Küche aus seit kurzem die Schweizer Fahne auf der Schweizer Botschaft nicht mehr sieht. Der Rohbau für ein neues Bürogebäude, das in der Nähe der Spree errichtet wird, hat sich als Hindernis davorgeschoben. Dafür liegt Bratschis Wohnung seit ungefähr einem Monat nicht mehr an einer ruhigen Quartierstrasse, sondern an einer Hauptverkehrsstrasse. Da nämlich die Chausseestrasse, eine wichtige Nord-Süd-Verbindung, wegen Bauarbeiten komplett gesperrt wurde, wird der ganze Verkehr nun um Bratschis Wohnblock herum geführt. So erlebt Bratschi immerhin hautnah mit, dass Berlin eine höchst lebendige Stadt ist. Und wundert sich auch nicht mehr darüber, dass ihr Arbeitsweg jede Woche wieder leicht anders aussieht.
Mañana
Für heute Abend hatte sich Bratschi eigentlich eine lange To-do-Liste vorbereitet. Als sie aber von Arbeitskollegin G. spontan auf ein Gläschen Wein eingeladen wurde (nachdem sich die beiden recht lang und leider auch recht erfolglos mit einem vertrackten Formulierungsproblem abgemüht hatten), sagte sie natürlich nicht Nein. So lernte sie das „taz.café“ kennen und verbrachte dort zwei vergnügliche Stunden.
Da es in der Zwischenzeit zu regnen angefangen hatte, konnte Bratschi auf dem Rückweg zum ersten Mal ihren schicken neuen Überzug für den Velohelm ausprobieren: Er ist neongelb, hat auf beiden Seiten reflektierende Streifen und enthält auf der Rückseite ein rot blinkendes Licht. Bratschi sieht darin ein bisschen aus wie ein ausserirdisches Wesen mit einem grossen Wasserkopf. Neongelb behelmt fuhr Bratschi auf ihrer üblichen Route nach Hause. Die Fahrt verlief ereignislos. Nur vor der britischen Botschaft, wo immer ganz viel Polizei herumsteht, musste Bratschi unauffällig ihr sich selbst absenkendes Velolicht etwas festhalten, damit es nicht genau vor den Polizeiposten einen Schlenker nach unten machte.
Zuhause wollte sich Bratschi noch einen Tee kochen, schaute allerdings etwas schräg, als aus der Packung mit Rooibos-Vanille-Tee ein Teebeutel mit der Aufschrift „Ingwer & Zitrone“ auftauchte – zumal es in ihrer Küche gar keinen solchen Tee gibt. Danach beschriftete sie noch ihre To-do-Liste um (statt „Montag“ steht jetzt „Dienstag“ drauf, der Rest ist unverändert) – und setzte sich vor den Fernseher.
Zu Besuch im Weltall
Heute ging Bratschis Ministerien-Besichtigungstour weiter. Die Tour startete im Verkehrsministerium. Bratschi wollte dieses Ministerium aus drei Gründen unbedingt besuchen: Erstens ist es das Nachbargebäude von Bratschis Wohnhaus, und über seine Nachbarn ist man ja gern ein bisschen informiert. Zweitens ist der Verkehr, genauer: der Strassenverkehr, einer von Bratschis Hauptthemenbereichen bei ihrer Arbeit in der Schweiz. Und drittens gehört zum Verkehr auch der Schiffsverkehr, und der interessiert Bratschi mehr privat. Sehr sympathisch war bereits der Empfang: Es gab keine Sicherheitskontrolle, was die grosse Ausnahme blieb.
Bei der Führung durch das Ministerium erfuhr Bratschi Spannendes nicht nur über das Gebäude, sondern auch über das Quartier, in dem sie lebt. Früher hiess dieser Bereich „Feuerland“, weil hier viele metallverarbeitende Fabriken standen. An der Führung nahmen auch zahlreiche Einheimische teil, die jeweils präzise Detailfragen stellten („Wo genau verläuft denn die Panke?“), und Bratschi war immer ganz stolz, wenn sie die Frage verstand. Am Ende der Führung traf die Gruppe überraschend auf Oliver Welke, den Moderator der „heute show“ im ZDF, der gerade ein Interview führte. Bratschi hat rasch ein Erinnerungsfoto gemacht, aber leider ist darauf wieder mal nichts zu erkennen (wie bei den Weltmeistern, seufz).
Die Stände im Innenbereich des Ministerums hatte Bratschi schon vor der Führung besucht, für die Stände im Aussenbereich reichte es leider nicht mehr: Um 12.00 Uhr startete nämlich im Wirtschaftsministerium – zum Glück nur 300 m vom Verkehrsministerium entfernt – die Life-Schaltung zur Internationalen Raumstation ISS für ein Gespräch mit dem deutschen Astronauten Alexander Gerst. Diese Life-Schaltung war echt cool! Ein paar kleine Anlaufschwierigkeiten (Gerst war zuerst nur zu sehen, aber nicht zu hören) verdeutlichten eindrücklich, dass da eine Kommunikation mit dem Weltall stattfand. Danach war Gerst aber deutlich zu hören und zu sehen. Bratschi fand den Astronauten höchst sympathisch. Er wirkte ganz natürlich und – trotz seinem beeindruckenden Lebenslauf – überhaupt nicht eingebildet. Zur Freude der vielen anwesenden Kinder liess er zwischendurch auch mal das Mikro los und machte auf Wunsch von Frau Staatssekretärin Zypries sogar einen Purzelbaum. Auf die Frage nach seinem momentanen Standort gab er an, die ISS sei im Moment über Spanien, aber in 10 Minuten würden sie über Berlin sein und dann auch herunterwinken.
Nach der Life-Schaltung zur ISS nahm Bratschi noch an einer Hausführung teil, an der Schauspieler verschiedene Etappen aus der Geschichte des Gebäudes nachspielten – auch eine gelungene Idee. Danach fuhr Bratschi weiter ins Finanzministerium. Dort kam sie gerade rechtzeitig zur Zollauktion, bei der Ministergeschenke versteigert wurden – vor allem die diversen Alkoholika gingen gut weg. Es folgte eine Abseilaktion der Zentralen Unterstützungsgruppe Zoll, einer Spezialeinheit der Zollverwaltung, und danach führten Zollhunde ihr Können vor, indem sie Drogen, Zigaretten oder Geld erschnüffelten oder eine flüchtende Person stellten. Zum Abschluss nahm Bratschi auch hier an einer Hausführung teil. Das Gebäude hat eine bewegte Vergangenheit: In der Nazi-Zeit war es das Reichsluftfahrtsministerium unter Göring, nach dem Krieg wurde hier die Verfassung der DDR in Kraft gesetzt. Hier fiel auch der berühmte Satz Ulbrichts: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“.
Für Bratschi war es ein intensives, höchst spannendes Wochenende. Ausbeute: vier Stofftaschen, diverse Luftballons, Kugelschreiber und Gummibärchenpackungen, ein Schlüsselband mit der Aufschrift „Bundesregierung“, eine Karte „Bundeswasserstrassen in Deutschland“, ein „Bussgeldkatalog“ (für Kruse), ganz viele Informationsbroschüren (für Bratschi; Kruse wird die Augen verdrehen) – und viel neu gewonnenes Wissen über Berlin, über die Bundesverwaltung und über Deutschland. Kurz: Es hat sich gelohnt!
Im Zentrum der Macht
Heute war Bratschi in Bundesberlin unterwegs. Punkt 10 Uhr stand sie vor dem Bundeskanzleramt. Dort war sie allerdings nicht allein: Ein paar Hundert andere Leute standen ebenfalls dort. Bratschi hatte das erwartet und blieb gelassen. Nach rund 35 Minuten hatte sie die Sicherheitskontrollen passiert und stand im „Ehrenhof“ vor dem Kanzleramtsgebäude, also dort, wo sonst die ausländischen Staatschefs empfangen werden. Aus dem Ehrenhof ging’s ins Gebäude hinein, dessen erster und zweiter Stock besichtigt werden durften, und von dort aus weiter in den Kanzlergarten, der zwischen Gebäude und Spree liegt. Heute stand darin ein Polizeihelikopter, vor dem sich fotografieren lassen konnte, wer wollte – ein riesiger Apparat! Weiter ging’s über die (private) Kanzlerbrücke über die Spree in den (privaten) Kanzlerpark. Auf der anderen Seite der Spree liegt nämlich noch ein recht grosser Bereich, der zum Bundeskanzleramt gehört und nicht öffentlich zugänglich ist. Dort waren verschiedene Zelte aufgebaut, die Infostände und Imbissbuden beherbergten.
Bratschi blieb bis zum Mittag im Kanzleramt. Dann fuhr sie weiter zum Innenministerium, wo sie sich einer Hausführung anschloss. So durfte sie in einem Konferenzraum und im „Krisenreaktionsraum“ Platz nehmen, die Staatssekretärs-Etage (11. Stock) besuchen und einen Blick ins Büro des Innenministers (12. Stock) werfen. Krass fand Bratschi die Sicherheitsmassnahmen: Ins Gebäude rein durfte nur, wer die Sicherheitskontrolle passiert hatte. Bei Bratschi ging das recht schnell, andere Besucher wurden aber richtig abgetastet. Danach wurde die Gruppe der Besucher/innen flankiert von einem Bundespolizisten, der voranging, und zwei anderen, die den Schluss bildeten. Ausserdem standen bei jeder Abzweigung im Treppenhaus und in den Fluren ebenfalls zwei Polizisten. Alle in voller Montur, das heisst auch mit Waffe. Auf Bratschi wirkte das Ganze etwas surreal, aus der Schweiz ist sie sich ein so gewaltiges Sicherheitsdispositiv nicht gewohnt.
Vom Innenministerium aus fuhr Bratschi eilends weiter zum Auswärtigen Amt – dort wollte sie die „Heimatlieder aus Deutschland“ hören. Während der Fahrt im Shuttle-Bus entdeckte sie zu ihrem Erstaunen, dass es einen langen Strassentunnel unter dem Tiergarten hindurch gibt. Da Bratschi in Berlin nicht mit dem Auto unterwegs ist, kannte sie diesen Tunnel bislang nicht. Im Auswärtigen Amt stellte sich dann heraus, dass „Heimatlieder aus Deutschland“ nicht die Musikrichtung beschreibt, sondern der Name der Band ist – was die Musiker spielten, waren Lieder aus ganz anderen Ländern. Das machte aber nichts, Bratschi nutzte die Gelegenheit, um auch dieses Ministerium zu besichtigen. In der Bibliothek präsentierten der Übersetzungs-, Dolmetsch- und Terminologiedienst ihre Arbeit, dort hielt sich Bratschi eine geraume Weile auf. Man konnte spielerisch in die Welt der Sprachen eintauchen. Es gab beispielsweise eine Tafel mit „falschen Freunden“, eine andere mit Redewendungen in verschiedenen Sprachen, oder man konnte versuchen, Begrüssungsformeln in etwa zwanzig Sprachen der passenden Sprache zuzuordnen. (Bratschi hat es nicht schlecht geschafft, allerdings stand Japanisch auf dem Kopf…)
Danach war Bratschi k.o. Und hatte ausserdem einen leicht heissen Kopf, weil sie vor dem Bundeskanzleramt ihren Rucksack abgeben musste, in dem unter anderem Sonnenbrille und Sonnencreme waren. (Es hiess zwar in der Einladung, nur grössere Rucksäcke müssten abgegeben werden, aber „gross“ begann in den Augen des Sicherheitspersonals schon bei ungefähr 10 x 10 cm.)
Morgen geht’s weiter. Bratschi will noch andere Ministerien kennenlernen. Verkehr und Finanzen interessieren sie, auch Landwirtschaft, Wirtschaft und wirtschaftliche Zusammenarbeit/Entwicklung (dort gibt’s Kulinarisches aus Afrika!). 5 Ministerien in 8 Stunden wird sie aber kaum schaffen. Schwierig, schwierig, Bratschi muss noch etwas nachdenken.
Jubiläum
Heute war Bratschi nach der Arbeit kurz im Fotomuseum. Dort läuft zurzeit die Fotoausstellung „Die absolute Landschaft“. Sie zeigt Landschaftsfotografien von Michael Ruetz, der über 20 Jahre lang immer den gleichen Landschaftsausschnitt fotografiert hat. So sieht man diese eine Landschaft im Wechsel der Jahreszeiten, tagsüber und nachts, bei Sonnenschein, Regen oder Nebel etc. Bratschi fand die Bilder faszinierend. Sie hätte gern noch mehr davon gesehen, aber leider war diese Ausstellung auf einen einzigen Saal beschränkt.
Da Bratschi schon im Museum war, schaute sie sich auch die übrigen Räume an. Dort hingen Fotos von Helmut Newton, die unter anderem unter dem Motto „Sex and Landscapes“ standen. Davon war Bratschi dann ziemlich unbegeistert. Zwischendurch kam es ihr fast so vor, als hätte sie sich in eine Pornoausstellung verlaufen.
Auf dem Nachhauseweg stellte Bratschi fest, dass ihre übliche Route versperrt war: Der Herr Verkehrsminister hat für den morgigen Tag der offenen Tür kurzerhand die Strasse sperren lassen, die vor seinem Ministerium durchführt. (Sehr praktisch, so ein Job als Verkehrsminister!) Die aufgebauten Stände weckten bei Bratschi die Vorfreude auf den Tag der offenen Tür. Sie hat 25 Seiten Programm ausgedruckt und jetzt die Qual der Wahl. Das Spektrum reicht von „Heimatlieder aus Deutschland“ über „Einsatztraining der Bundespolizei“ und „grosse Seifenblasenshow“ bis hin zu „Live-Schaltung zur ISS“. Jaaa!
Übrigens: Das hier ist der 100. Beitrag in Bratschis Blog. Nicht schlecht, oder?
Wowi geht auch
Gestern konnte Bratschi wieder ein bisschen Weltmeister feiern: Einer der Junioren in ihrem Berliner Ruderclub sass im Junioren-Vierer, der an der U-19-Weltmeisterschaft Gold gewonnen hat. Bratschi ging allerdings nicht zur Siegesfeier, sondern lieber aufs Wasser. Sie hat ja letzte Woche schon geschwänzt, und viele Rudermittwoche bleiben nicht mehr bis Ende September. Der Schlagmann in dem Boot, in dem sie sass, gab dann allerdings einen so schnellen Rhythmus vor, dass Bratschi schon nach 10 Minuten fix und fertig war. Irgendwann schaffte sie es dann auch tatsächlich, vom Rollsitz zu kippen, und sass dann neben dem Sitz im Boot. Das ist etwas ungünstig, wenn alle anderen weiterrudern und man selber weder sich noch die Ruder bewegen kann. Bratschi nahm es gelassen, die übrige Mannschaft auch, und manch einer freute sich vielleicht sogar heimlich über die unverhoffte Pause.
Nach dem Rudern hat sich Bratschi noch mit Clubkleidung eingedeckt. Sie war total happy, dass es endlich geklappt hat, denn so hat sie eine wunderbare Erinnerung an Berlin, wenn sie wieder in der Schweiz ist. Und die Schweizer Clubkameraden werden bestimmt grosse Augen machen, wenn Bratschi mit einem riesigen „Berlin“ auf dem Rücken auf dem Bielersee herumfährt. Die Ruderfrau war übrigens auch happy: Sie sagte, sie habe noch nie so viel auf einmal verkauft. Das Geld, das sie bekam, war allerdings ziemlich feucht – es hatte eine Bootsrundfahrt gemacht, denn Bratschi wollte die Scheine nicht unbeaufsichtigt in der Garderobe lassen.
Aus Berlin gibt es ausserdem noch zu berichten, dass „Wowi“, der Regierende Bürgermeister, auf Ende Jahr zurücktritt. Seinen Amtssitz, das Rote Ratshaus, hat Bratschi bereits besichtigt, allerdings nur von aussen. Von innen wird sie dieses Wochenende hoffentlich einige Ministerien sehen: Es findet nämlich der Tag (oder besser: die beiden Tage) der offenen Tür der Bundesregierung statt, sprich: Die Ministerien öffnen ihre normalerweise gut verschlossenen Pforten. Bratschi wird da sicher hingehen. Vielleicht gelingt es ihr ja, einen Blick ins Bundeskanzleramt zu werfen?
Papierkram
Gestern und heute Abend war Bratschi fleissig, puh! Es hatte sich viel angesammelt in den letzten Wochen, da erst das Notebook kaputt war und direkt im Anschluss Kruse nach Berlin kam. Das hiess nun gute sieben Stunden lang: Rechnungen bezahlen (die ältesten von Anfang Juli…). Uralte Mails durchforsten und ablegen. Die Kündigung für die Wohnung schreiben. Die letzte Berliner Miete bezahlen (mit einem leisen Anflug von Wehmut). Für Ende September bzw. Anfang Oktober ein Hotelzimmer buchen, da Bratschi ihre Wohnung am 30. September um 10.00 Uhr abgeben muss, an diesem Tag aber noch arbeitet – eine logistische Herausforderung! Jetzt wird das Ende des Berlin-Aufenthalts plötzlich ziemlich konkret – Bratschi weiss nicht so recht, ob sie sich freuen soll oder nicht.
Für heute reicht’s jetzt aber mit Arbeiten. Bratschi geht noch kurz einkaufen, dann ist definitiv Feierabend!
Ohne Muskelkraft unterwegs
Usedom war wunderbar! Kruse und Bratschi sind am Freitag früh (6.33 Uhr!) losgefahren und kamen um halb elf in Bad Heringsdorf an. Der Ort gehört, trotz seinem unkaiserlichen Namen, zu den drei „Kaiserbädern“; früher war er Tummelplatz für die Reichen und Schönen. Kruse und Bratschi bezogen ihr Hotel und spazierten dann dem Strand entlang. Mehr als die Füsse hielten sie allerdings nicht ins Wasser: Die Temperaturen waren ziemlich eisig, 19 Grad das Wasser, die Luft noch kühler. Natürlich musste auch die längste Seebrücke Deutschlands (508 m) besichtigt und an ihrem äussersten Punkt in einem Strandkorb ein Cappuccino getrunken werden. Abends spielte dann die „Ohrwurm-Partyband“ am Strand auf. Bratschi schunkelte fröhlich mit, Kruse war’s peinlich, so dass er sich am liebsten im Sand vergraben hätte.
Am Samstag mieteten sich Kruse und Bratschi E-Bikes. Bratschi sass zum ersten Mal auf einem solchen Gefährt und war beeindruckt. Dank der Tretunterstützung kommt man praktisch ohne Aufwand mühelos voran, und das erst noch ziemlich rasant. Kruse und Bratschi sausten an all den lahmen Velofahrern vorbei und hatten grossen Spass. Sie fuhren auf der Seeseite der Insel entlang bis Peenemünde. Unterwegs hielten sie immer wieder an, um die kleinen Dörfchen und andere idyllische Plätzchen zu bestaunen, um hier ein Fischbrötchen und dort einen Sanddornsaft zu probieren. Entsprechend spät machten sie sich auf den Rückweg. Und irgendwann begann dann der Akku an Kruses Bike, der doch angeblich 80 km weit reichen sollte, zu schwächeln und Kruse mit ihm. Bratschis Akku war zum Glück noch nicht leer, und dank Fahrradtausch kamen Kruse und Bratschi dann doch zurück zum Hotel. Es war Viertel nach acht, und die beiden fanden ganz knapp noch ein Restaurant, in dem sie noch etwas zu essen bekamen – an der Ostsee werden die Bürgersteige früh hochgeklappt!
Am Sonntag schwangen sich Kruse und Bratschi noch einmal auf die E-Bikes, fuhren dieses Mal aber in die andere Richtung, über die Grenze bis ins polnische Swinemünde. Dort schauten sie sich die Stadt und den Hafen an. Die Stadt wird vom Fluss Swine in zwei Hälften geteilt. Eine Brücke gibt es nicht, und vor der einzigen Fähre stauten sich die Autos in einer so langen Schlange, dass Bratschi die stoische Ruhe der Insassen bewunderte.
Gegen Abend machten sich Kruse und Bratschi dann auf den Rückweg nach Berlin. Die Fahrt – erst eineinhalb Stunden durch Usedom mit der Usedomer Bäderbahn, dann zweieinhalb Stunden durch Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg – schien viel länger zu dauern als die Hinfahrt. Als der Zug plötzlich mitten auf der Strecke zum Stehen kam und die Durchsage ertönte, es sei ein technischer Defekt am Zugfahrzeug aufgetreten, rechneten Kruse und Bratschi schon mit dem Schlimmsten. Der Defekt konnte dann aber rasch behoben werden, und der Zug fuhr weiter. Nur im letzten Wagen, so informierte die Lautsprecherstimme, gehe das Licht immer wieder aus. Kruse und Bratschi sassen nicht im letzten Wagen und nahmen es gelassen. Zumindest wird einem nie langweilig, wenn man mit der Deutschen Bahn reist!
Heute kam Kruse noch für ein Zmittag ins Ministerium. Danach ist er in die Schweiz zurückgeflogen. Bratschi wird aber nicht lange Zeit haben, sich allein zu fühlen. Für September ist viel Besuch angesagt: 9 Personen, wenn Bratschi richtig gezählt hat. Hihi, das wird lustig!
Berlins Badewanne
Die Tanzvorführung gestern Abend war einfach genial. Bratschi war begeistert, vielleicht sogar noch etwas mehr als Kruse, dessen Idee der Tanzabend ja gewesen war. Es ist also durchaus zu empfehlen, ab und an auch zu Veranstaltungen hinzugehen, die man selbst nie ausgewählt hätte – so taucht dann manchmal ein ungeahntes Juwel auf. Das Haus der Festspiele, in dem das Tanztheater stattfand, gefiel Kruse und Bratschi auch sehr. Eine grosse Glasfassade führt dazu, dass das ganze Gebäude sehr offen wirkt. Die Wände bestehen aus kleinen Steinen in verschiedenen Grössen, dazu kommt Holz als wichtiges Gestaltungselement. In diesem Gebäude fühlt man sich wirklich wohl!
Heute wurde Bratschi nach der Arbeit von Kruse mit einem improvisierten Drei-Gang-Menü empfangen. Erst gab’s Schnittchen mit Senf-Honig-Feige-Aufstrich und Käse, dazu ein Gläschen Rotkäppchen-Sekt. Es folgte der Hauptgang mit Tomaten-Feta-Salat und Humus-Dip, und als Abschluss gab’s frische Mango und Mango-Eis. An einen solchen Empfang nach der Arbeit könnte sich Bratschi gewöhnen!
Jetzt müssen Kruse und Bratschi noch rasch packen und dann kurz beim Bancomaten vorbeiwandern und das Portemonnaie auffüllen. Morgen früh fahren sie nämlich für ein verlängertes Wochenende nach Usedom an die Ostsee. Bratschi baut Überzeit ab und nimmt sich den Freitag frei. Sie freut sich, dass das klappt, denn Usedom, die „Badewanne Berlins“, will sie unbedingt noch kennenlernen. Und so nah an der Ostsee wie jetzt wird sie vermutlich ihr ganzes Leben lang nicht mehr sein.
Anti-Schwanensee
Heute hat Bratschi gearbeitet. Und Kruse? Der hat geschlafen. Den ganzen Tag lang. (O-Ton Kruse: Es ist so anstrengend, Bratschi zu besuchen. Bratschi hingegen hat eher den Verdacht, dass Kruse zu sehr über die Stränge gehauen hat in den letzten Tagen und Wochen.) Kruse hat sowieso komische Anwandlungen, seit er hier in Berlin ist. Gestern Abend hat er sich im Putzschrank versteckt. Als Bratschi dort neues Klopapier herausnehmen wollte, winkte ihr plötzlich jemand entgegen. Bratschi war ein paar Sekunden lang sprachlos (was doch recht selten vorkommt).
Heute Abend waren Kruse und Bratschi dann zusammen essen. Und zwar im Ris-Otto, einem Risotto-Restaurant, das Bratschi schon Anfang April ins Auge gestochen war. Bislang hatte sie es aber noch nicht geschafft, dort zu essen, weil die Öffnungszeiten ziemlich restriktiv sind: samstags nur bis 18.00 Uhr geöffnet, sonntags ganz geschlossen, das macht es einem voll arbeitenden Menschen etwas schwierig, das Lokal zu besuchen. Jetzt hat es aber endlich geklappt. Es gab einmal sardisches Risotto mit Streifen vom Schwein, Rotwein, Rosmarin und Walnüssen und einmal Risotto mit Blattspinat, geräucherter Forelle und Balsamico-Reduktion (was auch immer das ist, lecker war es allemal!). Nach dem Essen kehrten Kruse und Bratschi noch in der Weinbar La Compagnia ein und machten es sich dort bei einem Glas Wein gemütlich. Dazu gabs unaufgefordert Oliven und frisches Weissbrot – alles ganz wunderbar! Es ist nicht ganz einfach, hier in Berlin ein echtes italienisches Lokal zu finden, La Compagnia ist aber definitiv eins.
Morgen Abend werden Kruse und Bratschi zusammen ins Theater gehen, genauer: ins Tanztheater. Das Stück heisst „animal / vegetable / mineral“, ist eine Veranstaltung im Rahmen des Berliner Tanzfestivals „Tanz im August“ und läuft unter der Beschreibung „Punkrock meets Tanztheater“. Bratschi, die mit Schwanensee und Dornröschen sozialisiert wurde, ist etwas skeptisch. Aber so ganz unmöglich kann das Stück nicht sein: Der Dienstagabend war nämlich schon komplett ausverkauft, für den Mittwochabend haben Bratschi und Kruse gerade noch die letzten Tickets ergattert. Bratschi ist gespannt, Kruse sowieso.